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Letzte Etappe – vom Kibo Hut zum Gipfel des Kilimadscharos

Für die letzte Etappe zum Gipfel des Kilimandscharo, wurden wir um 23 Uhr gnadenlos aus den Betten gejagt. Schlafen konnte sowieso keiner mehr. Der Kreislauf war im Keller und schnatternd vor Kälte zogen sich alle Schicht für Schicht ihre warmen Klamotten an. Das Frühstück empfanden wir eher als „Henkersmahlzeit“. Ein letzter Gang auf die eisige Toilette und schon waren wir unterwegs.

Der Regen hatte sich zum Glück verzogen. Der Himmel war sternenklar und über uns erstrahlte der helle Vollmond. Ein mulmiges Gefühl verursachte das Gewitter tief unten in der Ebene. Man sah von oben die Blitze zucken und ein dumpfes Donnergrollen drang zu uns nach oben. Wie ein dunkler Schatten lag der Kilimandscharo über uns, vom Gipfel war natürlich noch nichts zu sehen.

Mit der Stirnlampe auf dem Kopf und dick angezogen stapften wir im Zickzack die Geröllhalde nach oben. Durch den sandigen Untergrund hatten wir das Gefühl, keinen Meter voranzukommen. Mühsam arbeitenden wir uns zu viert den Berg hoch. Unser angepeiltes Ziel war der „nur“ 4,5 Kilometer entfernte Gilman’s Piont auf 5685m, einer der beiden Gipfel des Kilimandscharos. Je nach Route erreicht man zuerst den Uluru Peak oder den Gilman’s Point. Wer einen dieser beiden Gipfel erreicht, hat den Kilimandscharo offiziell bezwungen. Schweigend, Meter für Meter – gefühlt waren es eher Zentimeter – immer mal wieder von anderen Gipfelstürmern überholt werdend oder selbst jemanden überholend. Mit jedem Höhenmeter reagierte der Körper heftiger. Frieren, schwitzen, Kopfschmerzen, Schindel – dann wieder einige Zeit völlig normal. Mein Arm schmerzte trotz starker Schmerzmittel höllisch und als wir die 5000 Meter Marke knackten merkte ich, wie meine Kraft von Meter zu Meter zu schwinden schien. Ich konnte nicht sagen, ob es an dem hoch dosierten Schmerzmittel lag oder einfach an der Höhe. Immer öfter musste ich stehen bleiben, die Beine schwer wie Blei. Je weiter hoch es ging, desto mehr hatte ich das Gefühl im Karussell zu sitzen.

Der Verstand brüllte „aufhören“, der Bauch brüllte „weiterlaufen“! Eine ganze Weile half es, dass mich meine Begleiter immer wieder motivierten und anfeuerten.

Aber eines ist klar, wenn man schon so weit über seine Grenzen geht, dann muss man auch erkennen und sich eingestehen, wann endgültig Schluss ist!

Ich quälte mich noch auf 5400 Meter. Da es bei meiner Geschwindigkeit bis zum Gipfel, dem  Gilman’s Point, noch mindestens 2-3 Stunden zu laufen gewesen wären, beendete ich den Aufstieg auf dieser Höhe. Kein Berg der Welt ist es wert, seine Gesundheit zu ruinieren! Ich entschied mich zur Umkehr.

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjaro Gipfel

Sonnenaufgang am Gilman’s Point 5685m

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Blick von Giman’s Point auf den Mawenzi

Einer unserer Bergführer setzte den Aufstieg mit meinem Begleiter fort und ich machte mich mit unserem zweiten Führer auf den Weg nach unten zurück zum Kibo Hut. Was für ein Erlebnis, wenn der Verstand anfängt verrückt zu spielen und man im Dunklen plötzlich Gestalten sieht und Stimmen im Kopf hat. Nein, das braucht man wirklich nicht!!

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Abstieg vom Gilman’s Point über Sand und Geröll

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Fast geschafft, der Kibo Hut ist schon in Sicht!

Ich war so froh, als ich 2 Stunden später völlig erschöpft , vor Kälte zitternd, mit einer Horde hämmernder kleinen Männchen in meinem Kopf und meinem schmerzenden Arm in meinen Schlafsack kriechen konnte. Die Gedanken drehten sich und die Enttäuschung machte sich dick und fett breit im Kopf. Etwas versöhnt wurde ich, als kurz nach meiner Rückkehr die beiden fittesten jungen Männer der Gruppe aus unserem Zimmer auch nach unten kamen. Einer von ihnen musste von zwei Bergführern sogar getragen werden. Da wurde mir schlagartig klar, wie richtig meine Entscheidung zur Umkehr kurz vor dem vermeintlichen Ziel war! Für mich ist nun klar, dass bei 5400 Metern Höhe meine Grenze ist, schon auf dem Everest Base Camp fühlte ich mich in dieser Höhe schon elend.

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjaro Gipfel

Gegen 8 Uhr kamen mein Begleiter und unser zweiter Bergführer vom Gipfel zurück. Sie hatten gut 2 Stunden nach meiner Umkehr glücklicherweise den Gilman’s Point und somit den Gipfel erreicht, waren aber froh, wieder heil zurück zu sein.

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjaro

Hier beginnt der Weg zum Gipfel des Kilimadscharo

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Rückblick zum Kibo Hut

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point KilimanjarKilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Nach einem kräftigen Frühstück mit viel heißem Kaffee, machten wir uns auf den Rückweg zum Horombo Hut. Da ich immer noch etwas wackelig auf den Beinen war, entschied unser Bergführer, dass wir direkt von Horombo Hut mit dem Jeep zum Marangu Gate abfahren.

Kilimandscharo Kibo Gilmans Point Kilimanjar

Der Fahrer des Jeeps war wohl in seinem früheren Leben ein Formel 1 Pilot. Mit Vollgas bretterte er mit uns über Stock und Stein innerhalb von einer Stunde nach unten. Mit jedem Meter wurde der Druck im Kopf besser und unten angekommen hatte ich das Gefühl, jetzt ein paar Bäume ausreißen zu können.

Nachtrag:

Mein Arm schmerzte auch nach 2 Wochen noch sehr und war von der Bewegung sehr eingeschränkt. Eine Röntgenaufnahme nach Rückkehr zeigte, dass ich mir bei meinem Sturz mit dem Fahrrad 2 Tage vor Abreise einen glatten Bruch des Radiuskopfes im Ellenbogen zugezogen hatte. Nur weil der Bruch exakt aufeinander lag, hielten sich die Schmerzen in Grenzen, bzw. es schmerzte nur höllisch bei ganz bestimmten Bewegungen des Armes. Nach 4 Wochen Gipsschine war zum Glück alles wieder heil. Natürlich stelle ich mir die Frage, ob ich den Aufstieg ohne die Schmerzen im Arm und den eingenommen Schmerzmitteln geschafft hätte. Aber das werde ich wohl nie erfahren.

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